Andacht zum Sonntag Rogate (9.5.2021) von Pfarrerin Ute Brünger

Kann man Gebete eigentlich sehen?
Manchmal schon, liebe Leserinnen und Leser. Überall, wo es in den Offenen Kirchen möglich ist, entzünden Menschen als Gebet eine Kerze und stellen sie auf einen Leuchter. Auch in der Pauluskirche brennen meistens Kerzen als sichtbare Zeichen für Gebete, die Menschen hier gesprochen haben.

Worum mögen sie gebetet haben?

Für sich selbst? Für einen nahestehenden Menschen? Für diese Welt, um die wir uns sorgen? Tag für Tag erfahren wir von schlimmen Ereignissen, und sie berühren uns. Da kann es guttun, ein Gebet zu sprechen – für die Menschen, die unter Krieg, Gewalt, Armut, Unglücken und nicht zuletzt Corona leiden. Da kann es auch tröstlich sein, Traurigkeit und Verzweiflung ins Gebet zu nehmen und sie Gott hinzuhalten – einfach mit dem Licht einer Kerze. Die eine oder andere Kerze erzählt möglicherweise aber eine glückliche Geschichte, erzählt von Dankbarkeit und Freude, von Bewahrung und Befreiung, die in einem Gebet zur Sprache kommen.

„Rogate – Betet“, so heißt dieser fünfte Sonntag nach Ostern. „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet!“ lautet der Wochenspruch für diese Woche. Freude am Gebet klingt aus diesem Bibelwort. Freude über einen Gott, der uns hört und sieht und dessen Herz sich von unseren Worten und Taten berühren lässt. Sicher kennen viele von uns auch das andere: den abgewandten Gott, den verschlossenen Himmel, das bittere Gefühl nicht gehört – geschweige denn erhört zu werden. Da können Menschen die Worte ausgehen, die Hoffnung, der Mut.
Manchmal bitten mich Menschen – nicht „beten Sie mit mir“, sondern „beten Sie für mich“. Beten soll ich dann stellvertretend– weil die eigene Hoffnung, das eigene Vertrauen eines Menschen nicht mehr reichen. Die Fürbitte ist uns Christinnen und Christen aufgegeben nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrern.  Stellvertretend für andere dürfen wir beten – was für ein Vertrauen spricht daraus! Vertrauen in die Menschen, die meinen Glauben teilen, Vertrauen in Gott, der doch schon weiß, was wir brauchen, ehe wir es ihm sagen.

Gebete kann man sehen – in den Kerzen, die in unseren Kirchen auf den Leuchtern brennen und oft genug auch den Gesichtern der Menschen, die Gott in ihrem Beten nahekommen sind. Dass unsere Gebete unsere Herzen und unsre Welt ein wenig heller machen, das wünsche ich uns an diesem Sonntag „Rogate – Betet“.

Ute Brünger, Pfarrerin