Andacht zum Sonntag Judika, 29. März 2020

„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ (Mt. 20,28).


„Wir müssen alle noch lernen,“ sagt die Verkäuferin an der Brottheke, nachdem sie einen jungen Mann freundlich daraufhingewiesen hat, dass er sich falsch in die Schlange eingeordnet habe.
Sie hat recht, denke ich. Wir müssen alle noch lernen, mit der Situation umzugehen. Was selbstverständlich war, gilt oder geht nicht mehr: Die Freiheit, jederzeit überall mit jedem zusammenzustehen. Das Eis in der Frühlingssonne vor der Pauluskirche. Die herzliche Begrüßung mit Umarmung und Küsschen. Der Alltag, der eng getaktet ist mit Pflichten, Veranstaltungen, Terminen, aber auch mit Entspannung und Vergnügen. Mir fehlen Menschen, mir fehlt mein gewohntes Leben, mir fehlt ein großer Teil meiner Arbeit, mir fehlen die Gottesdienste.

Letzten Sonntag habe ich den katholischen Gottesdienst im Fernsehen miterlebt. Im Nachthemd, mit Kaffeetasse und Butterbrot, gemütlich im Sessel. Immerhin etwas. Aber trotzdem fühlte es sich komisch an. Alleine für mich mochte ich nicht singen. Beten ging. Vor allem das Vater Unser. Da spürte ich die Verbindung mit Gott und mit den anderen Menschen, die an ihrem Ort die gleichen Worte sprachen. Da erlebte ich ein Stück Normalität, und das tat gut.

Zu meinem Leben gehört der Gottesdienst dazu. Klar, meistens stehe ich vorne im Altarraum. An predigtfreien Sonntagen aber sitze ich hinten in der Gemeinschaft der Gemeinde. Nicht, weil ich das muss, sondern weil ich es will. Weil ich mich einklinken kann in vertraute Abläufe. Weil ich diese eine Stunde einfach nur da sein darf. Weil ich gerne auf andere Gedanken komme. Weil ich hören, sehen und manchmal auch schmecken kann, wie freundlich unser Gott ist. Gottesdienst ist Gottes Dienst an uns. Davon erzählt auch der Wochenspruch aus dem Matthäusevangelium:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Jesus hat nicht gefragt, was Gott für ihn tun kann. Jesus hat gefragt, was er um Gottes Willen für die Menschen tun kann. Und dann hat er getan, was getan werden musste. Er hat die Trauernden getröstet, die Verzagten ermutigt, die Trägen ermuntert, die Kranken geheilt und den Menschen ein Stück vom Himmel nahegebracht. Geschont hat er sich nicht dabei, sein eigenes Wohlergehen hat er nicht in den Vordergrund gestellt. Beispielhaft, oder?

Viel von dem, was Jesus vorgelebt hat, entdecke ich in diesen Tagen. Menschen, die für einander da sind. Menschen, die Kranke pflegen und Regale auffüllen. Menschen, die mitdenken und gute Ideen entwickeln. Sie sind viele.

Gott freut sich über ihren Dienst, ob sie nun christlich oder anders oder gar nicht glauben. Möge Gott diejenigen segnen, die ihren Dienst am Menschen so selbstverständlich tun.

Ihre Pfarrerin Ute Brünger